Donnerstag, 26. Juli 2007

Ein paar Fakten zu Chile

Wenn ich mit Freunden und Bekannten in Deutschland oder England rede, fällt mir immer wieder auf, wie wenig man in Europa über Chile und seine Entwicklung zu einer erfolgreichen, liberalen und demokratischen Nation weiß. Die Vorstellungen sind teils abenteuerlich. Einige haben immer noch Bilder aus Zeiten der Diktatur vor Augen, andere setzen mit Südamerika generell die Gewalt in den Favelas von Rio und Sao Paulo gleich, und wundern sich, dass man hier ganz normal abends ohne schusssichere Weste durch die Strassen schlendern kann.


Ja, es gibt hier Häuser aus Stein, Telefon, fließend warmes Wasser, Elektrizität, befestigte Strassen und sogar Krankenhäuser. Nein, Santiago liegt nicht in den Tropen, hier ist momentan kalter Winter. Bisher bin ich auch noch nicht ausgeraubt worden und Malaria ist hier ebenfalls nicht verbreitet.


Ein paar Zahlen zu Chile:


Chiles Wirtschaft wächst seit Anfang der 90er Jahren im Schnitt um die 7%. Für die nächsten 5 Jahre wird ein Wirtschaftswachstum von 4-5% voraus gesagt. Chile setzt konsequent auf Freihandel, es gibt Abkommen mit der EU, der Nafta, Japan, China und demnächst Indien. Das Pro-Kopf Einkommen von um die US $ 12.000 liegt mittlerweile auf dem Niveau der osteuropäischen EU-Länder. Die Armut wurde von 46% der Bevölkerung in den 90er Jahren auf heute unter 15% gesenkt.


Noch gibt es jedoch einen dramatischen Unterschied zwischen Arm und Reich. Noch immer werden nicht alle Bevölkerungsschichten vom Gesundheitssystem, dem Bildungssystem oder einer Altersversorgung erreicht. Chile ist nach wie vor ein sehr ungleiches Land mit einem GINI Index, der den Unterschied zwischen den reichsten und ärmsten Bevölkerungsschichten misst, von 0,54 (Europa ~0,25). Drastisch vor Augen geführt wird einem das, wenn man mit der Seilbahn zum Cerro San Cristobal hochfährt, links die gläsernen Bürohochhäuser von Las Condes, rechts die Wellblechdächer von Recoleta.


Aber Chilenen sind pragmatisch, die Missstände sind erkannt und man arbeitet daran. Chile kann es sich auch leisten die Sozialausgaben zu erhöhen. Die Staatsfinanzen sind unter Kontrolle und der Staat erwirtschaftet kontinuierlich Haushaltsüberschüsse, im letzten Jahr 4% des BIPs. Im Vergleich: In Deutschland gab es einen Haushaltsüberschuss zuletzt vor 40 Jahren.


Dass die positive wirtschaftliche Entwicklung auch bei der Bevölkerung ankommt, sieht man in den Strassen von Santiago. Hier fahren nur noch wenige 30 Jahre alten Fahrzeuge wie in anderen Ländern Lateinamerikas umher, sondern moderne Autos aus Fernost und Europa. Und überall werden Häuser für den neuen Mittelstand gebaut, Appartementhäuser mit bis zu 20 Stockwerken, meist ausgestattet mit einer großzügigen Lobby, 24 Stunden Portierservice, Fitnessraum, Swimmingpool. Die Wohnungen sind häufig mit Fußbodenheizung und En-suite Bädern ausgestattet, verfügen aber nur selten über Fenster mit Doppelverglasung. Zu unserem Leidwesen wird gerade eines dieser Gebäude gegenüber unserer Terrasse errichtet. Noch im Januar stand hier ein altes Fachwerkhaus, mittlerweile steht der Rohbau mit 8 Stockwerken sowie Tiefgarage.


Auch gesellschaftlich tut sich einiges. Chile ist eines der wenigen Länder, mit einer Frau an der Regierungsspitze und den gesellschaftlichen Wandel durchläuft das Land in Rekordtempo. Auch hierzu eine drastische Zahl: Im einst erzkatholischen Chile kamen im letzten Jahr 58% der Neugeborenen außerehelich zur Welt.

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